Unsere Zeit ist vorbei. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sind wir am späten Samstagabend los gefahren. Die Sonne ging unter und der Himmel strahlte in einem kräftigen Rosa. Enno und ich bekamen zwei sehr feuchte dicke Küsse von den beiden Räubern, so wie es bei jeder Verabschiedung gemacht wird und stiegen ins Auto.
Unsere ersten drei Wochen verbrachten wir zusammen mit den beiden Räubern und ihrer Mutter. Im Büro stand ein einfaches Ikea Klappbett und neben dem Schreibtisch knallten wir unsere Klamotten hin. Vom Bett aus, hatten wir den Blick zur Terrasse und konnten den vielen Klangspielen die vom Wind hin und her geweht wurden, lauschen.
Mitte September haben wir die Familie beim Campen kennen gelernt. Unser eigentlicher Schlafplatz in einer Wildzucht Station war voll und wir wussten nicht so recht wohin, waren gestresst, da die Sonne schon am untergehen war und das die Suche nach einem Platz erschwert. So landeten wir an einem überfüllten Campingplatz direkt am Meer und stellten uns einfach, wie andere es auch taten, auf den Tages Parkplatz. Nach dem kennen lernen des Aufsehers (caretaker) wurden wir aber eines besseren belehrt. Da es nämlich verboten ist über Nacht auf solch gekennzeichneten Plätzen zu stehen, mussten wir weiter fahren, sonst hätten wir womöglich am Morgen, nach Androhung, eine ordentliche Strafe zahlen müssen. Kurz zuvor lud uns die Familie zum Kaffee ein. Wir freuten uns und bei der Gelegenheit fragten wir gleich, ob wir nicht für zwei Nächte bleiben dürfen.
Tja, seit der Begegnung sind 8 Wochen vergangen und wir hatten eine wirklich aufregende Zeit.
Die ersten Wochen haben wir die tägliche Kinder Bespaßung übernommen und im Gegenzug unser Zimmerchen, das Essen und eine entspannte Mutter gehabt. Vom Trampolin springen, „Wie baue ich eine Kleckerburg“ a la Enno, den Besuch des wöchentlichenen Sonntagsmarktes mit Keks kaufen – was die Kinder üben sollen, bis hin zum gemeinsamen Babycchino (aufgeschäumte Milch) trinken, in meinem Lieblingskaffee, erlebten wir noch einige Dinge mehr. Am Anfang waren die beiden gnädig und weckten uns kurz vor dem Frühstück, was leider wohl schnell langweilig wurde und wir schon gegen 6 Uhr zwischen zwei hüpfenden Räubern lagen und typische Warum Fragen beantworten mussten. „Enno?? Warum hast du noch deine Augen zu?“. Die Tage endeten mit einer nie endenden Gute Nacht Geschichte. Ich habe an mir gezweifelt, all meine Lesekünste in die Bücher gesteckt, gekuschelt und vor mich hingesummt, mit den Gedanken beim abendlichen Abwasch – aber die zwei wollten einfach nicht einschlafen. Warum ich nicht gleich auf DIE Lösung kam: Enno und mein Bettchen. Herrlich, keine fünf Minuten später und sie schliefen.
Enno hat seinen Spaß am Stand Up Paddling gefunden. So oft wie uns der Wind es ermöglichte ging es auf’s Wasser. Das paddeln auf’s offene Meer war einfach, oft hat man Rückenwind und lässt sich einfach treiben. Ich bin meist nur bis zu der Stelle, wo einige Seelöwen faulenzen, gepaddelt. Alles andere war mir nicht geheuer, die Seemonster warten doch nur auf mich!
Enno pfiff und klatsche mit der Hand auf’s Wasser und lockte somit die Seelöwen an. Spielerisch schwammen sie unter und neben dem Board und versuchten am Fussband, was im Wasser schwamm, ihn zurück zu ziehen und klatschen fröhlich in die Flossen. Der Rückweg war durch den Wind super anstrengend, sodass wir ihn meist kniend paddeln mussten.
Nachmittags sind wir oft durch die Stadt und am Hafen entlang geradelt, mit einem Stop in meinem Lieblingscafé verbunden. Geraldton ist ein gemütliches und kompaktes Städtchen. Gerade am Wochenende spürt man den Zusammenhalt der Stadt. Es werden viele Feste für Kinder und Familien organisiert, jeder bringt etwas mit und vieles ist für Besucher kostenlos.
Wir haben uns definitiv pudelwohl gefühlt und hätten noch länger bleiben können. Die letzten drei Wochen haben wir auf das Haus aufgepasst und einige Gartenarbeit erledigt, während die Familie ins Zentrum von Australien zum Urlauben fuhr. Wir freuten uns riesig, als die Familie uns das Angebot zum House Sitten machte. Drei weitere Wochen keine Miete zahlen, frisches Gemüse im Garten und eine voll ausgestattete Küche (darüber konnte nur ich mich freuen ;-)). All das war irgendwie wie ein Sechser im Lotto für uns.
Das ganze hatte dann aber doch auch seine Schattenseite. Wenn man so wirklich kein Ziel am Tag und für die nächsten Tage hat, fällt einem schnell die Decke auf dem Kopf und die Stimmung sinkt. Da wird das ganze schnell zur Belastungsprobe. Über fünf Monate sind wir durch Australien gereist. Jeden Tag an einem anderen Ort. Jeder Tag brachte uns neue Erlebnisse und Eindrücke. Und plötzlich von null auf hundert an einem Ort für längere Zeit. Puh..
Wir taten einfach das was wir wollten und uns gut tat. Da gab es auch Tage an denen wir den ganzen Vormittag irgendwelche Serien schauten und jeder abwechselnd mit Kaffee holen dran war. Ich versuchte mich an der Nähmaschine und war stolz auf meine Ergebnisse. Unser schlechtes Gewissen meldete sich aber ziemlich schnell und wir fragten uns was wir hier machen? Den ganzen Tag nichts tun? Wir sind in Australien, müssen wir uns nichts angucken?? Nein! Unser Köppel brauch mal eine Auszeit von den vielen Eindrücken. Schon jetzt merken wir das wir viel zu schnell gereist sind und nicht bewusst das erlebt haben, was wir erlebt haben. So genossen wir das nichts tun – drei Wochen lang!
Da kann Mann schon auf komische Ideen kommen. Enno besorgte sich einen Müllgreifer, eine große Box und ab ging es an die Küste. Er hielt Ausschau und versuchte sich am Krabben fangen. Nach einigen Kämpfen, konnte er stolz zwei Krabben in der Box zählen. Zurück in der Küche, kamen die beiden in den Topf und wurden nach zehn Minuten kochen ins kalte Wasser geschubst und anschließend liebevoll geschält. Mit Brot und Olivenöl wurden sie auf der Terrasse schnabuliert. Sehr Lecker, die beiden!
Eine wirklich schöne Zeit ist zu Ende, in der wir viel für uns mitgenommen haben. Die zwei Räuber werden wir in einigen Wochen, kurz vor Weihnachten, in Perth wieder sehen – darauf freuen wir uns jetzt schon.
Nun genießen wir das Großstadt Leben mit über 1,8 Millionen anderen Leuten.
Kommentar schreiben